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Yellow dots

Jagd auf Varianten - Geschichte

Alpha, Beta, Gamma, Delta, Omikron...?

Entdecken Sie SARS-CoV-2, seine Varianten und ihre Auswirkungen auf die Pandemie

Letzte Aktualisierung: Dezember 2021
Population geneticsMedical Data Science

Jagd auf varianten

Hintergrund

Sie kennen die Geschichte: Ende 2019 begann ein neues Coronavirus, Menschen zu infizieren.

Es heisst SARS-CoV-2 (Severe Acute Respiratory Syndrome-related Coronavirus 2) und ist verantwortlich für die Krankheit COVID-19 (Coronavirus disease 2019).

Dies war der Beginn eines unglaublichen Wettlaufs gegen die Zeit, um Informationen über dieses neue Virus zu sammeln und seine Entwicklung zu verfolgen, mit dem Ziel, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, und Behandlungen und Impfstoffe zu finden.

computer-dna-sequence-covid-2

Was ist ein Virus?

Ein Virus ist ein sehr kleiner Parasit, den man schlicht als eine Verpackung mit genetischem Material drin betrachten könnte. Um sich zu vermehren, muss ein Virus die Zellen eines lebenden Organismus (Tier, Pflanze oder Bakterium) infizieren.

Ohne Viren wäre das Leben auf der Erde nicht möglich!

Es gibt mehr Viren als Sterne im Universum! Auf einer Fläche von einem Quadratmeter lagern sich täglich Milliarden von Viren ab. Viren spielen eine Schlüsselrolle im Gleichgewicht von Populationen und der Evolution von Arten.

Quelle: Deposition rates of viruses and bacteria above the atmospheric boundary layer (2018)There are more viruses than stars in the universe. Why do only some infect us? (2020)

Viren, die uns krank machen

Etwa 200 Virenarten verursachen menschliche Krankheiten.

Quelle: ViralZone: Human viruses and associated pathologies

Das SARS-CoV-2-Coronavirus, das für COVID-19 verantwortlich ist, ist eine dieser Virenarten.

Novel Coronavirus SARS-CoV-2 SARS-CoV-2 durch ein Elektronenmikroskop gesehen.
Durchmesser: zwischen 60 und 140 nm. Quelle: NIAID, CC BY 2.0 über Wikimedia Commons

SARS-CoV-2...

SARS-CoV-2 infiziert menschliche Zellen, insbesondere die Zellen unserer Nase und Lunge.

Das Spike-Protein, das sich auf seiner Oberfläche befindet, kann mit einem Schlüssel verglichen werden, der es dem Virus ermöglicht, in menschliche Zellen einzudringen.

Einmal in der Zelle angekommen, dienen die im genetischen Material vorhandenen Informationen dazu, Hunderte von Kopien des Virus herzustellen.

Jede infizierte Zelle könnte dann Zehntausende neuer Viren freisetzen, von denen einige bereit sind, andere Zellen zu infizieren. Die infizierten Zellen werden zerstört, was mitunter zu ernsthaften Atemproblemen führen kann.

Quelle: The total number and mass of SARS-CoV-2 virions in an infected person
Eine Darstellung von SARS-CoV-2, seinem genetischen Material und dem auf seiner Oberfläche vorhandenen Spike-Protein.

…sein genetisches Material

Das Erbgut des Virus ist einsträngige RNA: Sie kann mit einem dünnen Faden verglichen werden, der aus einer langen Kette von Nukleotiden besteht. Es gibt 4 verschiedene Nukleotide in RNA, symbolisiert durch die Buchstaben A, U, C und G. Hinweis: RNAs werden in Datenbanken immer in Form von DNA dargestellt: die U's werden daher durch T's ersetzt.

Am 10. Januar 2020 veröffentlichten chinesische Forscher die erste Sequenz des SARS-CoV-2-Genoms: Sie besteht aus 29'903 Nukleotiden.

Quelle: A new coronavirus associated with human respiratory disease in China (2020)
Hier ist das genetische Material von SARS-CoV-2 das im Januar 2020 in China sequenziert wurde, und das für alle in öffentlichen Datenbanken zugänglich ist.

...seine Mutationen

Das Erbgut des Virus wird innerhalb der infizierten Zelle mehrfach kopiert, um tausende neuer Viren produzieren zu können.

Diese Kopien sind nicht perfekt: Es können bis zu 20 ‘Tippfehler’ pro Genom und Jahr vorkommen. Diese ‘Tippfehler’ sind zufällig: Sie werden ‘Mutationen’ genannt. Beachten Sie, dass 20 ‘Tippfehler’ auf etwa 30'000 Nukleotide im Vergleich zu anderen Viren eine niedrige Fehlerquote darstellen!

Aufreihung eines Stücks der „ursprünglichen“ Sequenz des SARS-CoV-2-Genoms mit einer „Kopie“: in Rot ein Tippfehler oder eine Mutation A -> T, die in der Kopie gefunden wurde.

…und seine Varianten

Viren, die bestimmte Mutationen tragen, verschwinden mit der Zeit, andere bleiben, weil sie besser an ihre Umgebung angepasst sind. Das ist das eigentliche Prinzip der Evolution.

Einige Viren haben dann eine bestimmte Kombination von Mutationen, die im Laufe der Zeit bestehen bleiben: Dies sind ‘Varianten’ von Viren.

Heute gibt es etwa zwanzig Virusvarianten: Die bekanntesten sind die Alpha-Varianten (erstmals in England nachgewiesen), Beta (erstmals in Südafrika nachgewiesen), Gamma (erstmals in Brasilien nachgewiesen), Delta (erstmals in Indien entdeckt), Mu (zuerst in Kolumbien entdeckt) und die letzte, die Omikron-Variante, die erstmals im südlichen Afrika entdeckt wurde. Es gab sogar Varianten, die zuerst in der Schweiz nachgewiesen wurden!

Varianten, Mutationen, einige Erklärungen!

Es ist wichtig zu verstehen, was mit ‘Varianten’ im Zusammenhang mit der Entwicklung von SARS-CoV-2 gemeint ist.

Jedes Virus ist etwas anders, da jedes Virus eine Kombination verschiedener Mutationen enthält. Und die meisten dieser Mutationen haben keinen Einfluss auf die Pathologie des Virus.

Die verschiedenen Viren in etwa zwanzig Varianten zu gruppieren, ist etwas willkürlich. Alpha-, Beta-, Gamma-Varianten usw., das ist ein bisschen so, als würde man über verschiedene Hunderassen sprechen. Im Jahr 2017 wurden auf der Grundlage genetischer Analysen 161 Hunderassen in 23 Gruppen oder Kladen (Gruppen von Tieren mit demselben gemeinsamen Vorfahren) eingeteilt. Viren, die zur gleichen Variante gehören, haben bestimmte Mutationen gemeinsam (aber nicht alle!) und haben eine ähnliche Pathogenität.

Quelle: Genomic analyses reveal the influence of geographic origin, migration and hybridization on modern dog breed development (2017)

Für die Bewältigung der Pandemie ist es unerlässlich festzustellen, welche Varianten im Umlauf sind: Einige Mutationen sind eindeutig gefährlicher als andere.

Warum sind einige Mutationen gefährlicher als andere?

Das genetische Material enthält die Rezepte zur Herstellung der Proteine, die für das „Leben" des Virus unerlässlich sind.

Wird ein Rezept aufgrund der Mutationen verändert, könnte auch das entsprechende Protein verändert werden.

Bestimmte Mutationen verändern das Spike-Protein, das in der Pandemie eine Schlüsselrolle spielt.

Das Spike-Protein

Das Spike-Protein befindet sich auf der Oberfläche von SARS-CoV-2. Es bindet sich an ein menschliches Protein namens ACE2 und ermöglicht es so dem Virus, in Zellen einzudringen.

Das Spike-Protein wird von den Antikörpern erkannt, die wir produzieren, insbesondere dank Impfstoffen. Diese Antikörper sind für den Kampf gegen das Virus unerlässlich!

Wenn Mutationen das Spike-Protein verändern, so kann das Auswirkungen auf die Übertragbarkeit des Virus haben, aber auch auf die Wirksamkeit von Impfstoffen!

Eine Darstellung der Wechselwirkung zwischen dem Spike-Protein und dem ACE2-Protein, das auf der Oberfläche menschlicher Zellen vorhanden ist. Hereinspaziert!, ein Protein Spotlight-Comic.

Spike unter der Lupe

Das Spike-Protein besteht wie alle Proteine aus einer Kette von Aminosäuren. Es gibt 20 verschiedene Aminosäuren, symbolisiert durch Buchstaben (G, E, N, I, A, L, …).

Die Zelle verwendet die im Erbgut enthaltenen Informationen, um ein Protein herzustellen.

3 Buchstaben ‘Nukleotid’ entsprechen einem Buchstaben ‘Aminosäure’: Beispiel AAT -> N.

Hier ist ein sehr kleiner Teil der Aminosäuresequenz des Spike-Proteins: insgesamt besteht die Proteinsequenz in der UniProtKB-Datenbank aus 1'273 Aminosäuren!

Eine berühmte Mutation…

Die Mutation A -> T in Position 23,063 des SARS-CoV-2 Genoms ist eine der Mutationen, die zum ersten Mal im Dezember 2020 in einem im Vereinigten Königreich sequenzierten Genom identifiziert wurden.

Diese Mutation wurde später in Tausenden von Genomen gefunden, die auf der ganzen Welt sequenziert wurden, insbesondere im Genom der Varianten Alpha, Beta, Gamma und Omikron.

...N501Y

Diese Mutation (AAT -> TAT) führt zu einem Aminosäureaustausch N -> Y an Position 501 in der Aminosäuresequenz des Spike-Proteins: Diese Mutation wird N501Y genannt.

Diese Mutation könnte die Fähigkeit von SARS-CoV-2 verändern, menschliche Zellen zu infizieren, da es sich in der Spike-Proteinregion befindet, die mit menschlichen Zellen interagiert.

Glücklicherweise beeinflussen nicht alle Mutationen die Proteinsequenz!

Alpha, Beta, Gamma, Delta, Omikron, ...

Je unkontrollierbarer sich das Virus vermehrt, desto wahrscheinlicher ist es, dass es seltene Mutationen ansammelt, die ihm nützlich werden können.

Video: Coronavirus variants: What you need to know

Das Genom von Virus-'Varianten', die im Laufe der Zeit bestehen bleiben, enthält eine Kombination aus einigen Dutzend Mutationen, verglichen mit dem im Januar 2020 in China sequenzierten Genom (Referenzgenom).

Jede Virusvariante hat durchschnittlich etwa zehn Mutationen im Spike-Protein (etwa zehn Veränderungen auf insgesamt 1.273 Aminosäuren). Die Omikron-Variante hat ungefähr dreissig davon! (Quelle)

Diese Kombinationen von Mutationen ermöglichen es, jede Virusvariante zu identifizieren, ähnlich wie bei einem Strichcode.

Die N501Y-Mutation findet man in den Varianten Alpha, Beta, Gamma und Omikron, aber nicht in der Delta-Variante.

Jede Kombination von Mutationen verleiht dem Virus unterschiedliche Eigenschaften, je nachdem welche Aminosäuren modifiziert wurden und wo im Spike-Protein sie auftreten. Aus diesem Grund arbeiten Wissenschaftler unermüdlich daran, die Auswirkungen dieser Kombinationen von Mutationen auf die Übertragbarkeit des Virus und die Reaktion auf Impfstoffe zu verstehen.

Und die Evolution in all dem?

Die Sequenzierung des Erbguts und das Auffinden der Mutationen ermöglichen es zudem, die Übertragungsgeschichte des Virus zu rekonstruieren und damit seine Evolution zu verfolgen.

Kleines Rätsel

Hier ist eine sehr schematische Darstellung von 6 Genomen (schwarze Linien) mit jeweils einer anderen Kombination von Mutationen (Rechtecke in verschiedenen Farben).

Das Genom F ist das „ursprüngliche“ Genom. 

Das Auftreten der verschiedenen Mutationen kann durch einen Baum dargestellt werden. Die rote Mutation, die in vielen Genomen vorhanden ist, trat wahrscheinlich zuerst auf…

…dann die gelbe Mutation

…dann die rosa, die orange und die grüne Mutation

Eine der Hypothesen, die auf der Grundlage dieses Baums aufgestellt werden könnten, ist, dass die E-Variante vor den anderen auftrat. Während sich das Virus in einer Population ausbreitete, erwarb es dann neue Mutationen, und neue Varianten mit spezifischen Kombinationen von Mutationen begannen zu zirkulieren (Variante C erschien, dann die Varianten A, B und D).

Durch solche Vergleiche von Genomen ist es möglich, eine ungefähre Geschichte der Virusübertragung und -entwicklung zu rekonstruieren.

Ungefähr deshalb, weil wir nicht auf alle Genome aller weltweit zirkulierenden SARS-CoV-2-Coronaviren Zugriff haben, auch wenn die Experten im Jahr 2021 täglich mehrere tausend Sequenzen verglichen!

Hier sieht man die Entwicklung von SARS-CoV-2, die Tag für Tag von den Experten von NextStrain.org einer Ressource des SIB Swiss Institute of Bioinformatics, beobachtet wird.
Porträt von Emma Hodcroft (Nextstrain.org), einer weltweit anerkannten Autorität auf der Jagd nach Varianten von COVID-19.

Coronavirus und Abwasser

Die genomische Überwachung ist unerlässlich, um das Vorhandensein verschiedener Virusvarianten in der Umwelt zu erkennen, ihre Verbreitung zu verfolgen und ihre Häufigkeit abzuschätzen.

Forscher haben zwischen dem 9. Juli und dem 21. Dezember 2020 Abwasserproben aus mehreren Kläranlagen in der Schweiz analysiert. Aus diesen Proben wird DNA (und RNA) extrahiert, sequenziert und anschliessend analysiert: eine echte Variantenjagd!

So fanden sie in vier Proben aus Lausanne und einer Probe aus einem Schweizer Skigebiet mehrere Mutationen, die in der Alpha-Variante vorkommen.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Alpha-Variante bereits Mitte Dezember 2020 in der Schweiz zirkulierte, also zwei Wochen vor der offiziellen Bekanntgabe des ersten mit der Alpha-Variante infizierten Patienten in der Schweiz.


Quelle: Detection and surveillance of SARS-CoV-2 genomic variants in wastewater (2021)
Weitere Informationen: Genomic surveillance in action (www.yourgenome.org)