Letzte Aktualisierung: April 2022
Paleogenomics
Dinohähnchen - Geschichte
Alle Dinosaurier sind ausgestorben... oder doch nicht?
Hintergrund
In einem Frühjahr vor etwa 66 Millionen Jahren verursachte der Einschlag des Asteroiden „Chicxulub Impactor“ in Yucatan (Mexiko) ein Massensterben.
Dieses Ereignis verursachte das Verschwinden von etwa 75 % aller Arten, darunter Meeresweichtiere, Ammoniten genannt, und die meisten Dinosaurier und Meeresreptilien.
Aber nicht alle Dinosaurier sind ausgestorben: einige überlebten. Was wurde aus ihren Nachkommen?
Hier sind einige Antworten, basierend auf kleinen Stücken von Proteinsequenzen, die in versteinerten Knochen von Brachylophosaurus canadensis und Tyrannosaurus rex gefunden wurden, zwei Arten von Dinosauriern, die vor etwa 80 bzw. 68 Millionen Jahren ausgestorben sind!
Podcast (FR): C’est au printemps que les dinosaures ont été rayés de la Terre (RTS, mars 2022) (FR) – Quelle: The Mesozoic terminated in boreal spring (2022)
Eine Sammlung von Fossilien
Wissenschaftler sammeln Informationen über Dinosaurier und andere Arten, die inzwischen ausgestorben sind, mit Hilfe von diversen Fossilien, die an den verschiedensten Orten unseres Planeten gefunden wurden. Sie erhalten so morphologische Daten und manchmal sogar molekulare Daten (DNA oder Protein), die sie vergleichen können, um den Grad der Verwandtschaft zu bestimmen.
Was ist ein Fossil?
Fossilien sind mehr oder weniger mineralisierte Spuren von Lebewesen, die vor sehr langer Zeit gelebt haben. Das können Knochen, Zähne, Eier, Spuren ihrer früheren Aktivitäten (Bohrgänge, Koprolithen usw.) oder in Sedimentgestein erhaltene Abgüsse sein.
Und einige dieser Fossilien enthalten noch DNA oder Proteine.
Einige Eckdaten
Hier eine kleine Zusammenfassung zur besseren Orientierung in der Geschichte des Lebens, der Dinosaurier … und der ältesten Fossilien:
Versteinerte Proteine?
Heutzutage ist es möglich, Proteine aus fossilen Eierschalen, Zähnen, Knochen oder mumifizierten Geweben zu sequenzieren: dieses Forschungsgebiet wird auf Englisch „Deep Time Paleoproteomics“ genannt … Und es gibt immer mehr solche Funde, weil Proteine anscheinend dem Zahn der Zeit besser widerstehen als DNA, und weil die Technologien immer effizienter werden.
Quelle: Deep Time Paleoproteomics: Looking Forward (2022)
Ein Protein sequenzieren?
Wie eine Perlenkette besteht ein Protein aus einer Abfolge von Aminosäuren, die durch chemische Bindungen miteinander verbunden sind. Es gibt 20 verschiedene Aminosäuren, dargestellt durch Buchstaben (G, E, N, I, A, L, …).
Die Massenspektrometrie ist eine Technologie, die es ermöglicht, Proteine zu sequenzieren, d.h. die Reihenfolge zu bestimmen, in der die Aminosäuren miteinander verknüpft sind.
Berühmte Proteine in der Paläontologie...
Wissenschaftler, die sich für ausgestorbene Organismen interessieren, untersuchen insbesondere die Proteine Kollagen und Cytochrom.
Warum?
Kollagen ist ein Protein, das in Knochen in grossen Mengen vorkommt. Es ist das Protein, das am häufigsten in der organischen Substanz versteinerter Knochen gefunden wird.
Hier ist das Kollagenprotein von verschiedenen Arten und das Kollagenprotein von heute ausgestorbenen Arten in der UniProtKB-Datenbank.
—
Die Informationen, die wir über bestimmte Proteine haben, stammen ebenfalls von der DNA. Wenn wir eine DNA-Sequenz kennen, so können wir die Sequenz des entsprechenden Proteins vorhersagen. DNA findet sich hauptsächlich im Zellkern eukaryotischer Zellen, aber auch in Organellen wie Mitochondrien oder Chloroplasten. Die mitochondriale DNA bleibt jedoch im Laufe der Zeit besser erhalten als die DNA, die im Zellkern enthalten ist. Das Cytochrom-Protein ist eines der Proteine, dessen Gen in der mitochondrialen DNA enthalten ist.
Hier ist zum Beispiel die mitochondriale DNA des Neandertalers und die Cytochromsequenz des Neandertalers, und zum Vergleich die Cytochromsequenz des Dodo und des Tasmanischen Wolfs.
Hier ist die Liste der Proteine von ausgestorbenen Organismen in der UniProtKB-Datenbank.
Hier sind Fragmente des Kollagenproteins, die in verschiedenen Arten gefunden wurden:
Tyrannosaurus rex
GATGAPGIAGAPGFPGARGAPGPQGPSGAPGPKGSAGPPGATGFPGAAGRGVQGPPGPQGPR
Datierung: 68 Millionen Jahre
Gallus gallus (Huhn)
GATGAPGIAGAPGFPGARGPSGPQGPSGAPGPKGNSGEPGAPGNKGDTGAKGEPGPAGVQGP
Datierung: vor 10.000 bis 50.000 Jahren
Mammut americanum (Mammut)
GANGAPGIAGAPGFPGARGPAGPQGPSGAPGPKGNSGEPGAPGSKGDAGAGIQGPPGPAGEE
Datierung: 1,65 Millionen Jahre
Brachylophosaurus canadensis
GATGAPGIAGAPGFPGARGPSGPQGPSGAPGPKGSAGPPGATGFPGAAGRGETGPAGPAGPP
Datierung: 80 Millionen Jahre
Die Evolution des Kollagens
Um den Verwandtschaftsgrad zwischen mehreren Arten zu bestimmen, suchen Biologen danach, was die Arten gemeinsam haben, aber auch, was sie unterscheidet.
Das Protein Kollagen kommt unter anderem in den Knochen aller Wirbeltiere vor. Aber wie bei allen Proteinen gibt es kleine Unterschiede zwischen den Sequenzen verschiedener Arten. Diese Unterschiede sind eine wahre Goldgrube für die Untersuchung der Evolution und der Verwandtschaftsbeziehungen, die zwischen den verschiedenen Arten bestehen.
Wie untersucht man die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Arten?
Es ist beispielsweise möglich, die Unterschiede zwischen den Kollagensequenzen verschiedener Arten zu zählen, und somit abzuschätzen, welche Arten am nächsten verwandt sind.
Die Kollagensequenzen von Brachylophosaurus canadensis und Gallus gallus (Huhn) wurden untereinander aufgereiht. Das Vorhandensein eines * bedeutet, dass die Aminosäuren an dieser Position identisch sind.
Wie viele Unterschiede gibt es?
Der Prozess ist etwas langwierig, aber das ist noch nicht alles: einige Sequenzänderungen haben mehr biologische Auswirkungen als andere. Ein bisschen wie in einem Text: manche Rechtschreibfehler ändern die Bedeutung, andere nicht!
Aus diesem Grund verwenden Bioinformatik-Programme, die Sequenzen vergleichen, „Substitutionsmatrizen“.
Jedem Aminosäurepaar wird ein Wert zugeordnet (zB: A-A: 4; G-G: 6; A-R: – 1). Die Addition dieser Werte ermöglicht es, für jede paarweise Aufreihung zweier Sequenzen (ein sogenanntes Alignment) eine Punktzahl (englisch: Score) zu berechnen.
Für Experten: Ein Beispiel für eine Substitutionsmatrix
Substitutionsmatrizen berechnen die Punktzahl eines Alignments, indem sie jedem „Paar“ von Aminosäuren einen Wert zuweisen. Es gibt verschiedene Substitutionsmatrizen, die durch die Untersuchung der Evolution mehrerer Proteinfamilien erarbeitet wurden.
Im Allgemeinen basiert der Substitutionswert auf dem Ähnlichkeitsgrad der beiden Aminosäuren. Wenn sie sehr ähnlich sind (hinsichtlich ihrer Form und physikalisch-chemischen Eigenschaften), ist das Aminosäurepaar wahrscheinlich und wird daher positiv bewertet. Wenn die Aminosäuren sehr unterschiedlich sind, ist das Paar unwahrscheinlich und erhält daher eine negative Bewertung. Eine Punktzahl von 0 entspricht einem Paar, das zufällig vorkommen könnte.
Hier ist zum Beispiel die Substitutionsmatrix namens BLOSUM62:
Klassifizierung von Dinosauriern und Vögeln: ein Beispiel
Der folgende Baum wurde berechnet, indem die Sequenzen mehrerer Kollagenproteine von mehr als 30 verschiedenen Arten verglichen wurden. Er wurde durch komplexe statistische Programme validiert.
Bild frei adaptiert von Expansion for the Brachylophosaurus canadensis Collagen I Sequence and Additional Evidence of the Preservation of Cretaceous Protein (2017)
Diese Ergebnisse bestätigen die Vorhersagen, die aus den anatomischen Vergleichen der Skelette gemacht wurden.
Es ist jedoch der erste molekulare (genetische) Beweis für die evolutionäre Verbindung zwischen modernen Vögeln und Dinosauriern.
Die Dinosaurier sind also nicht alle ausgestorben: Eine kleine Gruppe überlebte, darunter die „Vogel“-Dinosaurier, die Vorfahren der Vögel.
Ein weiterer detaillierterer Baum, um die Verwandtschaft zwischen Vögeln und Dinosauriern zu verstehen (wikimedia).
Das Geheimnis der Feder
1861, wenige Monate nach der Veröffentlichung von Charles Darwins Buch The Origin of Species, wurde in den Steinbrüchen von Solnhofen (Deutschland) eine knapp 7 cm lange und 150 Millionen Jahre alte fossile Feder entdeckt. Die Identifizierung des Besitzers der Feder ist seit langem Gegenstand von Kontroversen. Neuesten Studien zufolge gehörte sie vermutlich einem Archaeopteryx lithographica, einem gefiederten Dinosaurier.
Quelle: Detection of lost calamus challenges identity of isolated Archaeopteryx feather (2019)
Wir wissen heute, dass Archaeopteryx lithographica eher mit Vögeln als mit anderen Dinosauriern verwandt ist. Die Klassifizierung von Dinosauriern und Vögeln ist jedoch immer noch umstritten!
Vor 150 Millionen Jahren gehörte Archaeopteryx lithographica zu einer Art unter vielen anderen, einer Art ohne vorprogrammiertes Schicksal!
Eine kurze Zusammenfassung:
Archaeopteryx lithographica Quelle: Wikipedia